Grenzen von Situationselastizität und Karrieregehorsam

Zum Stellenwert einer Beraterrolle im österreichischen Generalstab und etwaiger Feigenblattfunktion - ein Sittenbild?


Der Schuss wird wohl nach hinten losgehen, wenn ein Generalstabschef glaubt, einen Mann mundtot machen zu können, indem er ihn „entordert“ und ihn versetzen lässt. Einen Mann, der wie Bgdr Dr. Schaffer als Staatsbürger in Uniform für die Herstellung einer richtigen und verfassungskonformen Heeresstruktur eintritt und sich dabei nie gescheut hat, die Dinge beim Namen zu nennen. Dazu zählt in einer Informationsgesellschaft auch pointiertes Formulieren. Mitunter mit dem Hinweis, dass in Österreich allemal noch von einem Ministerium Gesetze zu exekutieren sind. Und dass diese etwas anderes verlangen, als es "großen Reformgeistern" vorschwebt.

Im KlartexBgdr Dr. M. Schaffert heisst es im B-VG Art. 79 (1), dass das Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems auszurichten ist. Das Bundesheer als Ganzes. Nicht als Berufskaderrahmenheer, auch nicht als Präsenzheer mit einem kleinen Anhängsel freiwilliger Milizsoldaten, denen man keine entsprechende Ausrüstung gibt. Schon gar nicht, als Heer, in dem die Miliz bloß ein integrierter Bestandteil oder gar eine kleine "Teilstreitkarft" ist. Darauf hat Schaffer als Milizsoldat im Rang eines Brigadiers wiederholt und deutlich hingewiesen.

<< Foto: Bundesheer

Dazu war er da. Nicht um Potemkinsche Dörfer herbeizureden. Als Berater hatte er der militärischen Führung reinen Wein einzuschenken. Dazu zählten auch mehrfache Hinweise auf Säumigkeit in Sachen Bestellung des vom Wehrgesetz her vorgeschriebenen Milizbeauftragten. Seit mehr als einem Jahr weigert sich der Minister (vielleicht hat es ihm auch sein Generalstab "befohlen") diesen zu bestellen.

Dass konsequentes Aufzeigen von Versäumnissen unter Herstellung von Öffentlichkeit in manchen Führungsetagen negativ aufstößt, ist keine Neuerscheinung. Vor allem dann, wenn sogenannter Karrieregehorsam als Handlungsmaxime gilt und die von diesem Prinzip Getriebenen vor dem Trümmerhaufen einer von ihnen vorgeschlagenen und daher mit zu verantwortenden Unternehmenspolitik stehen.

Wenn Organisationen nicht funktionieren, feuert man die Führungsmannschaft und rettet so mitunter das Unternehmen vor der totalen Pleite. Gelingt dies nicht, entscheiden häufig Gerichte über Schuld oder Unschuld in Sachen fahrlässiger oder gar betrügerischer Krida. Da wird selbst der Aufsichtsrat in die Pflicht genommen. Die Idee, dafür einen Controller aus dem Expertenstab der Unternehmensführung (im Falle Schaffers einen demokratisch legitimierten), der auf den Unternehmenskurs in Richtung Pleite hinweist, abzulösen, wäre geradezu absurd. Besonders dann, wenn dieses Unternehmen ein öffentliches ist und seinen Eigentümern (dem Volk) zu dienen hat. In den obersten Amtsstuben des BMLVS scheinen die Uhren jedoch anders zu gehen.

Gott sei Dank gibt es in diesem Land mit einigen „Citoyens“ noch Leute wie Schaffer, die sich richtigerweise als Staatsbürger in Uniform begreifen und in Sachen Landesverteidigung ihre Stimme erheben. Menschen, die sich dem Souverän und dessen Gesetzen verpflichtet sehen.

Eine „Entorderung“ Schaffers durch Kreise jener, die mitgewirkt haben, das Bundesheer an die Wand zu fahren, lässt wohl erwarten, dass dessen öffentlichen Wortmeldungen weiterhin ohne Rücksichtnahme auf falsch verstandene „Maulkorbloyalitäten“ erfolgen. Ob diese unter dem unbedeutenden Titel  "Berater des Generalstabschefs" erfolgen ist dabei Nebensache. Ja angesichts der drohenden Fehlentwicklungen in Sachen Strukturreform des Heeres ist als interessierter Bürger gar zu hoffen, dass Schaffers Wortmeldungen lauter werden und so manchen beamteten Uniformträger zur Aufgabe seines Karrieregehorsams bringt. Selbst wenn dies lediglich der Erkenntnis entspringen mag, dass sich ein Verbiegen des Rückgrats und mühevolle Turnübungen im politischen System unserer Heimat für das Erreichen eines gesehenen „Karriereziels in einer Subkultur“ nicht lohnen. Der Glanz der Sterne auf dem Rockkragen und die Strahlkraft roter Lampassen ermatten alsbald – an Beispielen mangelt es nicht. M.G.