Androsch hat recht

Hannes Androsch hat recht, wenn er von einer "rechtspolitischen Katastrophe" spricht und eine "Wiedereinführung der Verfassung" verlangt. Das gilt auch für das System des Bundesheeres.


Eine rechtspolitische Katastrophe

Am 3. August 2014 hat Hannes Androsch, Im Interview mit der Tageszeitung ‘Die Presse‘ (S. 19) die „ …. Wiedereinführung der Verfassung …. „ verlangt. „ …. Die ist ja de facto abgeschafft, das ist eine rechtspolitische Katastrophe…. Derzeit überdecken ja die sogenannten realpolitischen Machtverhältnisse alles und behindern jede Änderung.“

Seine Analyse und Forderung muss man leider wortgleich auch für die katastrophale Nichteinhaltung der Verfassung im Themenbereich der Landesverteidigung anwenden. Der Auftrag im Bundes-Verfassungsgesetz zur Gestaltung der Landesverteidigung (B-VG Art 79 Abs. 1) lautet: „ …. Das Bundesheer ….. ist nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten.“

Dieser Verfassungsauftrag wird derzeit de facto nicht vollzogen!

Das verlangte Milizsystem*) wurde in den Erläuterungen zum Gesetz präzisiert:

Der Gesetzgeber ist bei der „Einführung der betreffenden Verfassungsbestimmung von folgenden Hauptkomponenten des österreichischen Milizsystems ausgegangen:

Eine relativ kurze Dauer des Grundwehrdienstes sowie zusätzliche periodische, über einen längeren Zeitraum verteilte Wiederholungsübungen.

Eine Konzeption der Schutz- und Verteidigungsaufgaben nicht im Wege einer berufsmäßigen Institution, sondern als überwiegende Gemeinschaftsaufgabe.

Die 1991 GrenzeinsatzExistenz eines bestimmten, vergleichsweise kleinen Anteils eines sogenannten ‚stehenden Heeres‘ zur Gewährleistung einer raschen Reaktionsfähigkeit im Anlassfall.

Diese drei Hauptkomponenten des Milizsystems sind daher verfassungsrechtlich vorgegeben und können daher weder durch ein einfaches Bundesgesetz noch von den für die Heeresorganisation zuständigen Verwaltungsorganen geändert werden.

Bei der Festlegung einer allfälligen neuen Heeresgliederung bzw. Reorganisation muss daher auf diese verfassungsrechtlichen Grundsätze unbedingt Rücksicht genommen werden.“

Weiters wird festgehalten: „Ein Milizheer: Hier besteht kein oder nur ein kleiner Kaderanteil von Berufssoldaten. Der Großteil der Armee besteht aus Soldaten, die auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht Wehrdienst leisten.“ (ULRICH, 2011)

Ganz klar steht hier die Einsatzorientierung des Bundesheeres im Vordergrund. Als in Anlassfällen einzunehmende Einsatzorganisation, muss eine entsprechende Vorbereitung für zukünftig mögliche Bedarfsfälle vorgenommen werden. Dies hat mit einer Grundausbildung und späteren längerfristigen Wehrpflicht-Milizübungen zu erfolgen. Zusätzliche Freiwilligkeit ist für die Unteroffziers- und Offiziersausbildung vorzusehen.

1991 YU << Bild BMLVS

1991 schickte die Regierung - obwohl die Miliz bereit gestanden wäre -  auf Empfehlung der militärischen Führung Truppen in den Grenzeinsatz YU, die mit nicht-feldverwendungsfähigen Rekruten befüllt waren. Einsatzfähige Milizsoldaten , die sich in den Kasernen der Steiermark zum Einsatz meldeten, wurden heimgeschickt. Cui bono?

Selbst wenn es diese Verfassungsbestimmung nicht gäbe, müsste man sie aus militärischen, demokratiepolitischen und (budget-) finanziellen Gründen einführen.

Die derzeitige – ebenfalls katastrophale – Situation der ‚Reste‘ der österreichischen Landesverteidigung ist das Ergebnis der Nicht-Einhaltung der Bundesverfassung.

Die Verfassungsbestimmung zum Milizprinzip ist getreulich einzuhalten. Für einen demokratischen Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit.

Eine demokratiebezogene ‚Rating Agentur‘ würde uns konsequenter Weise in Sachen Demokratiekompatibilität am unteren Ende mit "sehr gering" einstufen. Hannes Androsch meint im Interview: „Irgendwann wird sich die Regierungsspitze halt einmal zum Regieren bekennen müssen.“

Die Regierung und ihre Beamtenschaft muss sich natürlich zur getreulichen Vollziehung der Verfassung bekennen. Die (teilweise angewandte) Alternative führt in die, von Androsch formulierte, Katastrophe. Internationale Beispiele zeigen das in aller Deutlichkeit auf.

ACL

*) Mag. Christoph Ulrich (BMLVS – DiszBW) hat die parlamentarischen Grundlagen zur Einführung der betreffenden verfassungsgesetzlichen Regelung des österreichischen Milizsystems in präziser Form in der Zeitschrift: Der SOLDAT vom 3. August 2011 auf Seite 9 zusammengefasst.