Koalitionsverhandlungen und Kapitel Sicherheit

Sind die Verantwortlichen in der Politik blind - oder schauen sie nach der Wahl einfach nur weg? Es ist die Hoffnung, die zuletzt stirbt. Nicht die Partei(en) ...

von Manfred Gänsdorfer


ABestattungsinstitut Foto mglles Recht geht vom Volk aus. Dieses hat mit Nationalrat und Bundesrat seine Vertretung. Und diese hat beschlossen, das Österreichische Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems auszurichten. Mit allgemeiner Wehrpflicht für Rekruten und Milizkräfte. Durch ein Referendum eindrucksvoll bestätigt! Die derzeit um eine Regierung verhandelnden Parteien haben einen „neuen Stil“ angekündigt. Darauf kann man hoffen. Ändert sich nichts, werden es wohl die Parteien sein, die ihr Ende finden. Denn es ist die Hoffnung, nicht die Partei(en), die zuletzt stirbt.

Systemisierte Sinnlosigkeit


Spätestens seit der Amtsführung des ehemaligen Verteidigungsministers Platter, dem (aus welchen Motiven auch immer) der Blick auf die realen Verhältnisse im Heer verstellt gewesen sein mag, widerspricht die Ausrichtung des Bundesheeres dem Gebot des Verfassungsgesetzgebers. Wäre die Ausrichtung des Heeres nämlich eine – so wie es im Gesetz steht - nach dem Grundsatz der Miliz, so hätte diese den weit überwiegenden Teil der Armee zu stellen. Zu diesem Grundsatz zählt, das im Grundwehrdienst Erlernte wiederholt zu üben, um im Bedarfsfall Schutz und Hilfe leisten zu können. In Österreich ist das Gegenteil der Fall.

Das System, wie derzeit die Wehrpflicht praktiziert wird, ist weitestgehend sinnlos! „Mit den vier Brigaden und Spezialeinsatzkräften sowie mit den territorial zuständigen Militärkommanden deckt das Heer alle Aufgaben im Bereich der Bodentruppen ab …“ lautet es auf der Website des BMLVS. 22 Bataillone, die in vier Brigaden gegliedert sind, das Jagdkommando, Militärpolizei und die Führungsunterstützung bilden das Gros des Heeres. Mehr als 20.000 junge Staatsbürger, die sich entschieden haben, Wehrdienst zu leisten, werden darin zur Feldverwendungsfähigkeit ausgebildet oder dienen als Systemerhalter.

Ersteres dauert fünf Monate, danach sind die Rekruten feldverwendungsfähig und bilden das menschliche Füllmaterial von oben genannten Berufskaderrahmenverbänden. Mitunter üben sie gar in den letzten vier Wochen ihrer Wehrpflicht. So hat man dann im letzten Monat des 6-monatigen Grundwehrdienstes für jeweils ein paar Tage zumindest Teile eines ungenügenden Präsenzheeres. Danach werden die Wehrpflichtigen ohne jede weitere militärische Inanspruchnahmen auf Nimmerwiedersehen in das zivile Leben „entlassen“.

Seriöse Politik?


Von der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags zur Ausrichtung nach dem Prinzip einer Miliz kann also keine Rede sein. Ebenso wenig vom Entsprechen der Bedrohungslage, die ein Bedarfsheer fordert. Darüber kann auch die Scheinexistenz von 10 Milizbataillonen (je eines pro Bundesland und zwei in Wien) nicht hinwegtäuschen. Für diese sind nicht einmal annähernd genug Milizsoldaten vorhanden, weil man lediglich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit rekrutieren möchte.

Die gesetzliche Regelung, im Fall zu geringer Menge an Freiwilligen diese amtswegig zu rekrutieren, wurde auf dem Papier festgehalten. Eine gleich wenig verfassungskonforme „Lösung“, über die mit Augenzwinkern gleichzeitig versichert wurde, davon keinen Gebrauch machen zu wollen. Seriöse und glaubwürdige Politik?

Für diese ausgehungerten Milizbataillone, nach deren theoretischem Muster eigentlich das Heer zu organisieren wäre, gibt es auch keine Geräteausstattung. Für die mitunter stattfindenden Übungen (mit Milizkader) wird Leihgerät für Übungszwecke im Kreis geschickt. Eine Groteske, wenn dies Grundsatz der Heeresorganisation sein soll. Aus dem Mund von militärischen Planern höchster Ebene ist zu vernehmen, dass „man“ nicht gewillt sei, angesichts der Knappheit an Budgetmitteln solche für militärische Verbände zu verwenden, die in einem etwaigen Einsatz von „der Politik“ ohnedies nicht in Dienst gestellt würden.

Es ist die Hoffnung, die bekanntlich zuletzt stirbt


Das Primat der Politik wird missachtet. Was könnten die Gründe dafür sein? Sind etwa die bisher handelnden Regierungspolitiker mit Blindheit geschlagen? Oder wollen sie einfach nur nicht näher hinsehen? Wird ihnen vielleicht gar ein X für ein U vorgemacht? Man muss schließlich kein Schlieffen oder Clausewitz sein, um zu erkennen, dass dieses Heer eben NICHT nach den Grundsätzen eines Milizsystems organisiert ist, wie es der Gesetzgeber verlangt. Faktum ist: Österreichs Heer ist ein Kaderrahmenheer, in dem Wehrpflichtige lediglich herangezogen werden, um die Führungsfähigkeit des Berufskaders zu erhalten.

Da drängen sich Fragen auf: Ist es Selbstzweck, ein militärisches Perpetuum mobile, glatter und latenter Verfassungsbruch oder ökonomischer Irrsinn, wenn man fünf Monate lang zigtausende junge Österreicher ausbildet und maximal für drei Wochen als einsatztaugliche Gewehrträger verwendet? Schlimme Fragen, besonders schlimm wär’s, wenn alle Attribute zutreffen sollten.

Die Parteien, die eine neue Regierung „neuen Stils“ bilden wollen, sind gefordert, reinen Tisch zu machen. Entweder sie anerkennen das politische Primat und vollziehen das Gesetz - oder sie ändern dieses und tragen dem Rechnung, was sie bislang in Missachtung des gültigen gesetzlichen Auftrags als „erfolgreiches Mischsystem“ bezeichnen. Eines, das sie seit Jahren nicht genügend finanzieren und das zudem nicht dem Bedarf entspricht.

Die gesetzliche Änderung zugunsten der Bewahrung eines solchen „Mischsystems“ wäre dann freilich die klare Absage an eine sinnvolle Wehrpflicht. Und für diesen Fall wäre es freilich kein Wunder, wenn die überwiegende Mehrheit unseres Staatsvolks, an das man am 20. Jänner 2013 die Entscheidung über die Zukunft unseres Wehrsystems delegiert hat, sich verhöhnt fühlen könnte. Und wenn es die Hoffnung ist, die zuletzt stirbt, werden wohl noch vor ihr einige "abgetreten" sein.